Texte, Töne, Bilder im Kopf
Radio machen ist eine wunderbare Sache. Für eine gute Radiogeschichte braucht man nur ein kleines Aufnahmegerät
in der Hand und einen Notizblock samt Stift in der Tasche, das ist das ganze Arbeitszeug.
Bilder entstehen trotzdem, jede gute Radioreportage erzeugt sie mit Texten und Tönen im Kopf des Hörers.
Bilder von großer Suggestion und Verlockung, weil sich ein jeder die eigenen ausmalt.

Hammer, Sichel und Cacciucco.
Ein Besuch in der rebellischen Hafenstadt Livorno.
Lassen sich eilige Livorno-Besucher meist entgehen: den Blick auf den Fosso Reale. Der große Graben der ehemaligen Stadtbefestigung umschließt das gesamte Zentrum. Livorno ist der wichtigste Hafen der Toscana und einer der bedeutendsten in ganz Italien, von seinen Kais und Piers legen die großen Fähren nach Sardinien und Korsika ab. Genau deshalb ergeht es Livorno wie so vielen Hafenstädten: die meisten wollen nur hin, um schnellstmöglich weiter zu kommen. Rauf auf's Schiff und ab auf die Insel, runter vom Schiff und karacho nach Hause. Schade, das hat Livorno nicht verdient. Es ist eine Stadt mit spannender Geschichte und einem bunten Völkergemisch, begabt mit großer Spottlust und noch größerem Sinn für den Lebensgenuß. Was Wunder also, dass ausgerechnet Livorno der italienischen Küche einst die Tomaten zu den Spaghetti beschert haben soll. MediaStoria war in Livornos Geschichte und Gegenwart unterwegs .....
 

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Livorno 1
Livorno 2   Livorno 3   Livorno 4

Alle großen Mittelmeerlinien laufen Livorno an, auch Kreuzfahrtschiffe machen hier fest - kurzer Landgang mit Ausflug ins nahe Pisa,
den Schiefen Turm angucken.


Livorno 5   Livorno 6
Livorno 7 Ferdinand I., Großherzog der Toscana, schaut vom hohen Sockel aus in Richtung Meer. Unter seiner Herrschaft wurde Livorno zur Festungs- und Hafenstadt ausgebaut. Den Livornesi ist der hohe Herr allerdings ziemlich schnuppe, ihre Sympathie gehört den angeketteten Sklaven auf den Stufen des Denkmals: tausende Kriegsgefangene, Sklaven und Zwangsarbeiter schufteten im späten 16. Jahrhundert am Bau der Kanäle, des Hafens und der Zitadellen. Sie sind die wahren Gründungsväter Livornos.
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Kanäle, Gräben, Boote überall. Manchmal sieht Livorno aus wie eine moderne Version von Venedig - nur ohne die Touristenmassen der Lagunenstadt. Das Viertel mit den meisten Kanälen heißt sogar Venezia Nuova.

Livorno 10   Livorno 11

Bauliches Kontrastprogramm: Livornos Zentrum wurde im Krieg stark zerstört und in den Nachkriegsjahren neu erfunden - so auch die große
Synagoge (rechtes Bild). Livorno besaß eine der größten jüdischen Gemeinden Italiens, aber niemals ein Ghetto. Alle Bürger der Stadt, egal
welchen Glaubens, egal welcher Herkunft, waren gleichberechtigt und frei.


Livorno 12   Livorno 13

Ein historischer Ort für die politischen Geschicke Italiens im 2o. Jahrhundert: das ehemalige Teatro di San Marco, Geburtsstätte der KPI, Italiens einstmals mächtiger Kommunistischer Partei .... auf der Gedenktafel von 1949 huldigen die Livorneser Genossen noch getreulich Marx, Engels, Lenin und Stalin.
 
Fabrizio Ottone, Führer durch die Geschichte und Gegengeschichte Livornos - die graue Mütze immer wie festgetackert auf dem Kopf .....

Livorno 14

Eine Kathedrale des Geschmacks und der puren Lebensfreude: Livornos riesige Markthalle, erbaut am Ende des 19. Jahrhunderts. Wer sich hier nicht verführen läßt, dem ist vermutlich nicht zu helfen .....

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Livorno 16
© www.sharingtuscany.com
Das Cacciucco livornese gibt es in ungezählten Varianten, aber immer gehört ein halbes Dutzend verschiedener Fische dazu, Muscheln, Crevetten, Tintenfische und viele Tomaten - die sephardischen Juden, so heißt es, hätten die Tomate einst aus Spanien und Portugal nach Livorno mitgebracht und in der italienischen Küche heimisch gemacht.

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An allen Kiosken Livornos und halb Italiens erhältlich und jeden Monat von seinen Lesern sehnlich erwartet: Il Vernacoliere, das Blatt für Humor, Satire und Mangel an Respekt, wie es im Untertitel heißt. Italiens einziges Satiremagazin ist zu Teilen im deftigen Livorneser Dialekt geschrieben.
 
Pardo Fornaciari, Professor für mittelalterliches Latein, Alt-68er und bekannter Autor des Vernacoliere. Spezialgebiet: Glaube, Priester und anderes Abrakadabra .....

Livorno 19


Die Terrazza Mascagni und ihre leicht surreale Geometrie: dem Komponisten Pietro Mascagni gewidmet und an Wochentagen
manchmal fast menschenleer. Am Wochenende flaniert und promeniert hier halb Livorno .....


© alle Bilder (außer Cacciucco): MediaStoria/Manfred E. Schuchmann