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Radio machen ist eine wunderbare Sache. Für eine gute Radiogeschichte braucht man nur ein kleines Aufnahmegerät
in der Hand und einen Notizblock samt Stift in der Tasche, das ist das ganze Arbeitszeug.
Bilder entstehen trotzdem, jede gute Radioreportage erzeugt sie mit Texten und Tönen im Kopf des Hörers.
Bilder von großer Suggestion und Verlockung, weil sich ein jeder die eigenen ausmalt.
Lüttich - Lebensart und Industrieruinen
Lüttich liegt an der Maas, spricht französisch und ist - je nach Zählart - die viert- oder fünftgrößte Stadt im Königreich Belgien: knapp 2oo.ooo Einwohner. Also nicht eben riesig. Dabei stand Lüttich einmal in gleicher Reihe mit London, Paris, Chigaco oder Brüssel - die Weltausstellung 19o5 fand in Lüttich statt. Lüttich war damals mehr als nur wohlhabend, es war eine der führenden Industriemetropolen Europas - Kohle und Stahl. Entlang der Maas erlosch das Feuer der Hochöfen nie, rauchten die Schlote. Das war einmal. Die Kohlegruben schlossen zuerst, dann wurden die Stahlschmelzen dicht gemacht. Lüttich ist heute dabei, sich völlig neu zu erfinden. Manfred E. Schuchmann hat die Stadt für MediaStoria erkundet.
Place du Marché, Cafés, Bars, Restaurants und schattige Plätzchen unter Bäumen, Lütticher Lebensart zu jeder Tageszeit. Rechts ein Porträt von Vater und Sohn, ganz in der Nähe: der Mann mit Hut und in Bronze ist Georges Simenon, der Erfinder des Kommissar Maigret ..... und neben ihm sein Sohn John Simenon, bei einem Pressetermin in der Heimatstadt des Schriftstellers. Simenons berühmte Krimis erscheinen gerade neu auf Deutsch.
Lüttich gestern: die schöne romanische Kirche von Saint-Barthélemy am Rande der Altstadt ..... und an vielen Häusern angebracht: kleine Marienaltäre, immer schön geschmückt. Lüttich war seit dem Mittelalter ein unabhängiges Fürstbistum.
Lüttich heute: der neue Bahnhof Guillemins - das filigrane Meisterwerk des spanischen Architekten Santiago Calatrava öffnet sich wie eine Auster zur Stadt hin. Guillemins beschreibt Lüttichs Willen, sich als Stadt neu zu erfinden.
Die Montagne de Bueren - eindeutig ein Instagram-Hotspot in Lüttich. Dreihundertvierundsiebzig Stufen führen aus der Altstadt den Hang zur ehemaligen Zitadelle hinauf. Die Anwohner bitten in gleich vier Sprachen, auf der Treppe keinen Lärm zu machen.
Lüttich besitzt ein königliches Opernhaus, ein modernes Theater, großartige Museen - und heute noch nahezu zwanzig Puppentheater (links zB. das Théâtre à Denis), Anfang des 2o. Jahrhunderts gab es sogar noch um die zweihundert. Eine schöne Sammlung von Marionetten hängt in den Räumen der Taverne Tchantchès et Nanesse (rechtes Bild) - benannt nach dem Volkshelden des Marionettentheaters und seiner Gefährtin. Ganz nebenbei wird bodenständige Lütticher Küche und gutes belgisches Bier geboten.
Eine gewisse Tristesse liegt über dem einstigen Lütticher Revier, wie hier in Seraing, dessen Hochöfen seit Jahren erloschen sind. Seraing, wenige Kilometer flußaufwärts von Lüttich, war im frühen 19. Jahrhundert die Keimzelle der belgischen Stahlindustrie. Die alten Arbeiterquartiere sind ihrer Tradition treu geblieben: sie stehen zum Fußballclub Standard Lüttich und wählen unerschütterlich links. Manchmal ziemlich weit links.
La Batte heißt ein Abschnitt entlang des linken Ufers der Maas, la Batte heißt auch der Markt, der an jedem Sonntag vormittag hier stattfindet. Seit bald fünfhundert Jahren. Er gilt als der größte im Königreich, Besucher kommen gerne auch aus Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg und Frankreich - ist ja alles nicht weit weg. Ab Mittag wird es eng auf dem Markt, Zeit sich in ein Café zurückzuziehen. Auf ein Bier, auf einen kleinen Roten, vielleicht mit einer Lütticher Bulette und Pommes nebenher. In Lüttich nämlich, besagt die Legende, wurden die Pommes frites erfunden.
Informationen über den französischsprachigen Teil Belgiens bietet im Netz und mit Broschüren: belgien-tourismus-wallonie.de
Zu Lüttich speziell: visitezliege.be
Bzw. direkt vor Ort: Office du Tourisme de Liège, Rue de la Boucherie 4, B-4000 Liège. +3242219221, info@visitezliege.be
Fast an der Spitze der großen Maas-Insel liegt in einem schönen Park das Museum La Boverie - 19o5 diente es als Ausstellungspalast für die Abteilung Schöne Künste, heute beherbergt es eine sehenswerte Sammlung. Unter anderem mit einem großen Picasso, den die Stadt beinahe verkauft hätte.
belgien-tourismus-wallonie.de/de/content/das-boverie-museum-luttich-schone-kunste-und-expo
Das Théâtre à Denis ist eine der regelmäßig spielenden Marionettenbühnen in Lüttich, Held aller Stücke ist immer Tchantchès, die Verkörperung des gesunden und schlagfertigen Menschenverstandes: blauer Kittel, schwarze Mütze, rotes Halstuch - die Tracht der mineurs, der Bergleute von einst. tchantches.com, Rue Ste Marguerite 302, B-4000 Liège, +32 4 235 94 95
Die Taverne Tchantchès et Nanesse liegt in einer engen Seitenstrasse im ehemaligen Handwerker- und Kleine-Leute-Viertel Outremeuse, erstreckt sich über mehrere historische Häuser und ist innen rustikal gemütlich. Essen und Trinken à la liègeoise, dazu eine große Sammlung alter Marionetten an den Wänden und Theaterbilder, die der Vater des heutigen Wirts gemalt hat. Wunderbar naive Kunst. taverne-tchantches.be/ Rue Grande Beche 35, B-4020 Liège, +32 4 343 39 31
Sollte man probiert haben: Gaufrettes, Lütticher Waffeln. Vielleicht ganz frisch bei Saperlipopette: une-gaufrette-saperlipopette.be Rue des Mineurs 18, B-4000 Liège, +32 4 222 37 54
Das Olivettes ist Café, Brasserie und Restaurant (mit eher kleiner) Karte - aber mit großartiger Atmosphäre. Freitags, samstags und ab Sonntag mittag singen die Gäste, was die Kehle hergibt - alle Klassiker des französischen und belgischen Chansons, begleitet von Michaël Roka am Klavier. Kein Playback, kein Karaoke, das Olivettes gab es in Lüttich schon, bevor die Japaner Karaoke buchstabieren konnten. auxolivettes.be Rue Pied du Pont des Arches, 6. B-4000 Liège, +32 496 346 569. info@auxolivettes.be / michael@auxolivettes.be
John Simenon beim Pressetermin vor dem kleinen Denkmal seines berühmten Vaters, dem Krimi-Autor Georges Simenon, Erfinder des Kommissar Maigret. Es steht gegenüber von Simenons Geburtshaus. Rechts die Kirche Saint-Pholien im Stadtteil Outremeuse. Sie hat für den Titel eines der frühesten Maigret-Romane Pate gestanden: Der Gehängte von Saint-Pholien (neu verlegt bei Kampa, Zürich 2o19).
Im Jahr 2o2o gerade neu erschienen: das ultimative Buch, um Lüttich für sich zu entdecken. Und zwar egal, ob man gerade zum erstenmal in die Stadt an der Maas hineinschnuppern will oder bereits zu ihren Liebhabern gehört. In Rolf Minderjahns 1oo Orten in Lüttich ist alles drin, gut beschrieben, schön bebildert. Kultur und Kulinarik (mit Rezepten!), Technik und Geschichte, Lebensart und Mentalität. Mehr Reiselektüre braucht man nicht.
Rolf Minderjahn, 1oo Orte in Lüttich, GEV (Grenz-Echo Verlag),
Eupen/B, 15€. ISBN 978-3-86712-15o-7
Kleiner Tipp zum Schluß: lassen Sie Ihren Wagen in der Hotelgarage stehen (falls Sie nicht ohnehin mit ICE oder Thalys anreisen, eine Stunde Fahrt ab Köln). Lüttichs Strassen sind mitunter eng und voller Baustellen und Umleitungen (die selbst ein neues Navi ins Schleudern bringen). Nehmen Sie den Bus, für € 5 können Sie einen Tag lang fahren, soviel sie wollen. Info und Fahrpläne unter:infotec.be› fr-be › medeplacer › horaires